Dominik Zehnder: Pfarrer in Bülach

Dominik Zender

Seit zehn Jahren ist er Pfarrer im Unterland und sagt von sich, dass er gerne über den Tellerrand schaut. Über seinen Werdegang, die Reformation und über den Anlass «Leere Kirche» sprach Standort Zürcher Unterland mit Dominik Zehnder.

Zur Person
aufgewachsen in Langnau am Albis und Embrach
seit 10 Jahren wieder zu Hause im Zürcher Unterland
verheiratet, drei Kinder


Herr Zehnder, wie kam es zu Ihrem Berufswunsch?

Nach der Maturität bin ich nach Zürich gezogen und habe ein Psychologiestudium begonnen. Bereits nach einem Jahr wechselte ich zur Theologie. Das ist ein wirklich spannendes, vielschichtiges Studium, das ich sehr genossen habe. – Dabei war es eigentlich nicht mein Ziel, als Pfarrer zu arbeiten …

… sondern?

Ich war während Jahren im Bereich Executive Search tätig, habe also die richtigen Kandidaten für Führungspositionen in Unternehmen gesucht. Ebenfalls war ich einige Jahre bei HEKS in der Region Zürich - Schaffhausen Projektleiter und habe etwa das Programm «Visite» integriert. Das ist so etwas wie der «Reissverschluss» in der Region Bülach. Besonders freut mich, dass dies heute das bedeutendste Angebot von HEKS in der Region Zürich - Schaffhausen ist.

Mitte 40 kam dann der Wunsch nach einer Veränderung und ich entschied mich für ein Vikariat, also zu einem einjährigen pfarramtlichen Praktikum in einer Kirchgemeinde. Das hat mir ganz neue, gute Perspektiven eröffnet und ich habe mich als Pfarrer beworben.

Sie waren dann zuerst in Embrach und in der Kirchgemeinde Niederhasli-Niederglatt tätig. Wie war das, wieder in Embrach zu sein?

Es war schon ein besonderes Gefühl, als Pfarrer erstmals in der Kirche eine Predigt zu halten, in der ich konfirmiert wurde.

Seit fünf Jahren sind Sie Mitglied der Kirchensynode, des 120-köpfigen Parlaments der Zürcher Landeskirche. Was beschäftigt Sie dort?

Mich beschäftigt die weitere zukünftige Entwicklung der Kirche. Als Mitglied der Synode wie auch in der Scharnierfunktion als Dekan im Bezirk kann ich mitwirken. Beide Funktionen zwingen dazu, gewisse Zusammenhänge zu sehen und über den Tellerrand zu schauen. Das entspricht mir.

2018 feiern wir 500 Jahre Reformation. Was ist aus Ihrer Sicht das Zentrale?

Mit der Reformation wurde das Individuum religiös und gesellschaftlich ins Zentrum gestellt. Der Mensch sollte selber lesen, selber entscheiden, selber verantworten. Damit wurde die Bildung und Entwicklung des einzelnen Menschen zentral. (Nachdenklich) Die Reformation wurde auch von Individuen angestossen. Sie standen hin für ihre Überzeugungen und nahmen Nachteile in Kauf. Das beeindruckt mich.

Vom 3. bis 9. September gibt es im Rahmen des Reformationsjubiläums in Bülach unter dem Titel «Leere Kirche» verschiedene Aktionen und Anlässe. Das tönt provokativ. Können Sie uns mehr verraten?

Am Anfang stand die Idee – ähnlich wie während der Reformation –, Kirchen von Vertrautem, Gewohntem zu befreien und so neue Perspektiven für den Glauben zuzulassen. Die Kirche – auch als Gebäude – ist für uns alle mit Erinnerungen verknüpft und sie wird in der Regel stark geprägt von Pfarrpersonen und Kirchenpflegenden, also von «Funktionären». Wir möchten mit unserem Projekt erreichen, dass sich Menschen – auch solche, die eher «nicht kirchlich» sind – mit der Kirche beschäftigen, sich den Raum aneignen und ihn in Anspruch nehmen.

Wie sind Sie vorgegangen?

Wir haben einen Wettbewerb ausgeschrieben, wobei es nur wenige rudimentäre Regeln gab. Die Ideen sollten nicht kommerziell oder parteipolitisch, dafür anders und doch würdig und ernsthaft sein. Danach hat eine breit aufgestellte Jury die Projekte ausgewählt. Unsere Idee «Leere Kirche» wird im Übrigen von der Landeskirche unterstützt.

Worauf dürfen wir gespannt sein?

Überraschend war, dass es bei den rund 30 eingereichten Projekten meistens um Kultur – also um Skulpturen, Malen, Singen oder Konzert – geht und damit um Dinge, die in der Reformationszeit eher aus der Kirche verbannt wurden. Natürlich werden auch neue technische Möglichkeiten genutzt.

Was ist aus Ihrer Sicht der Anlass, den man nicht verpassen darf?

Ich bin auf alles gespannt. Im Moment liegt die Aufmerksamkeit bei einem Projekt von zwei jungen Architekten. Sie wollen den Kirchenraum spiegeln und werden dazu ein Wasserbecken installieren. Natürlich darf das Wasser nicht ausfliessen und nichts beschädigen. Ich stelle mir also die ganz pragmatische Frage: Schaffen die beiden das? Übrigens: Die Installation und damit der «Geist» dieser Woche wird am abschliessenden Sonntagsgottesdienst noch da sein.

Wie waren die ersten Reaktionen?

Das grosse Interesse hat uns sehr gefreut. Ursprünglich wollten wir für jeden Tag oder die ganze Woche ein Projekt. Jetzt sind es mehr geworden und sie greifen teilweise ineinander. Die Jury musste wirklich schwierige Entscheidungen treffen. Es hat sicher für jede und jeden etwas, je nachdem, ob man lieber beobachtet oder sich selber beteiligt. – Leben wird «Leere Kirche» von der Spontanität und der Bereitschaft der Menschen, dabei zu sein und sich den Raum anzueignen. 

Herzlichen Dank für das Interview. Wir wünschen Ihnen gelingende Projekte und allen Teilnehmenden viele neue, spannende Perspektiven.