«Das Jüdische hat mich mitgeprägt, auch wenn ich mir dessen nicht bewusst war.»

Eva Ehrismann

Eva Ehrismann hat sich jahrzehntelang mit Gedichten und Prosa und mit dreidimensionalem Schaffen beschäftigt. Die bevorzugte Technik der in Rorbas wirkenden Künstlerin ist jedoch der Steinguss. Er vereint in fünf Schritten die verschiedenen bildhauerischen Techniken und hat jahrhundertealte Tradition.

 

StaZU: Frau Ehrismann, unter dem Titel «Lebensbogen» stellen Sie vor Ostern Ihre neuesten Werke im «Philosophe» in Dielsdorf aus. Wie kam es dazu?

 

Eva Ehrismann: Hans Hässig vom «Philosophe» hatte die Idee, etwas zum Thema jüdisches Kulturerbe zu realisieren. So werden nun meine in den letzten Jahren entstandenen Arbeiten in einer Ausstellung gezeigt und es finden Vorträge zu den Angeboten des jüdischen Kulturwegs Endingen Lengnau statt.

 

Ihre letzte Ausstellung fand im Rahmen einer interkonfessionellen Woche in der reformierten Kirche Bülach statt. Ihre neueste Ausstellung greift Spuren aus dem Alten Testament und jüdische Symbole auf. Wie kam es dazu?

 

Erst in den letzten Jahren stellte ich fest, wie sehr mich das Jüdische unbewusst mitprägte. Ich bin in unmittelbarer Nähe eines verlassenen jüdischen Friedhofs in Glückstadt an der Elbe aufgewachsen. Da bin ich fast täglich hinein und fasziniert an den liegenden und stehenden Steinen, an den Inschriften vorbeigegangen. – Auch hatte ich einen jüdischen Musiklehrer und in der Schweiz mit Professor Hermann Levin Goldschmidt einen jüdischen Philosophielehrer.

 

Wie ist Ihnen denn dieser Einfluss bewusst geworden?

 

In Folge einer Ausstellung in Freiburg im Breisgau fertigte ich eine Auftragsarbeit für einen jüdischen Musiker in Budapest an. Daraus ist eine bereichernde Beziehung entstanden. Ich hatte die Möglichkeit, Einblicke ins Leben jüdischer Menschen in Ungarn und danach auch in Israel zu erhalten. Das hat mich fasziniert und vieles aus dem Unterbewusstsein hervorgeholt. Es hat mir auch gezeigt, welche Spuren das Jüdische etwa im Alltag und in der deutschen Sprache hinterlassen hat. Ich habe mich intensiv mit der Entwicklungsgeschichte vom wandernden Wüstenvolk bis zur Staatsgründung Israels im Jahr 1948 beschäftigt.

 

Welche Bedeutung hat Religion für Sie als Mensch?

 

Religionen haben mich immer interessiert. Ich habe viel beobachtet und gelernt und sehe nicht das Trennende, sondern das Verbindende. Oft haben sie dieselben Werte. Das wird auch in Hans Küngs Weltethos deutlich.

 

… und als Künstlerin?

 

Bei den Werken zur Wanderausstellung «Das Boot» standen sozialpolitische Themen und das Mitgefühl im Vordergrund. Daneben beschäftigten mich Menschen, ihre Gefühle, Träume und Ängste. Daraus entstanden Frauenfiguren, Mütter und Väter mit Kindern: Werke mit und über körperliche Nähe.

 

Die kommende Ausstellung in Dielsdorf steht unter dem Titel «Lebensbogen» …

 

Wenn ich es genau bedenke, würde ich es eher als Lebenskreis bezeichnen. Ich hatte das Glück, in Serbien und Israel auszustellen, dadurch andere Kulturen zu erleben und habe mich nochmals intensiv mit dem christlichen Glauben, aber auch mit dem Alten Testament beschäftigt. Das hat mich als Mensch und als Künstlerin weitergebracht.

 

Wie haben sich Ihre Arbeiten dadurch verändert?

 

Es gibt einen anderen, neuen Blickwinkel. – Es stehen vermehrt Schicksale fremder Kulturen, eines fremden Volkes im Fokus.

 

Und was ist gleich geblieben?

 

Wenn ich eine Idee habe, kann ich das Modell in Ton immer noch sehr schnell erstellen, je nach Grösse in Stunden oder Tagen. Dann folgt die arbeitsintensive Realisierung in Steinguss.

 

Und zum Thema Lebenskreis: Neben der Beschäftigung mit den monotheistischen Religionen möchte ich dem einen oder anderen Werk einen festen Platz geben. Das soll auch ein Dank sein an Gemeinden und Organisationen, die mir zeitlebens wohlwollend nahestanden.

 

Wir wünschen Ihnen eine erfolgreiche Ausstellung. Bestimmt wird sie gerade in dieser Zeit den Blick öffnen und Respekt für andere Perspektiven schaffen.