Faszinierende Körperlichkeit prägt Ruedi Möschs Skulpturen

Ruedi Mösch, Bildhauer, Eglisau

Irgendwo zwischen unbehaglich verrenkt und fest in sich ruhend verweilen seine steinernen Skulpturen. Fein ausgearbeitete Details an Gesicht und Körper sucht der Betrachter vergebens. Denn für Ruedi Mösch (62) ist der Stein ein geschlossener Raum, den er für seine Kunst nicht zu «löchern» braucht. Seit mehr als 30 Jahren arbeitet der Eglisauer schon am Fuss der Lägern beim Steinbruch in Steinmaur. Über das Leben als Bildhauer, kritische Erfolgsfaktoren sowie unbewusste Tabubrüche erzählt Ruedi Mösch im exklusiven Interview mit Standort Zürcher Unterland. 

Interview mit Ruedi Mösch, Bildhauer

Herr Mösch, was ist es, das Sie an Ihrem Beruf als Steinbildhauer so fasziniert?

Einerseits ist es natürlich das Arbeitsmaterial. Der Stein hat eine sehr lange Lebensdauer, er kann je nach Art und Pflege hunderte Jahre überdauern. Einige Steine bergen wunderschöne Farbtöne und Muster. Was mich aber am meisten fasziniert, ist die Dreidimensionalität des Materials. Im Gegensatz zur Malerei geschieht die Auseinandersetzung mit dem Raum nicht nur konzeptionell, sondern effektiv am Material. Den Prozess, wie aus einem Rohling eine Skulptur entsteht, empfinde ich als grosse Befriedigung. Oft entdeckt man neue gestalterische Möglichkeiten, es entstehen Ideen während der Arbeit; gleichzeitig lernt man als Künstler aber auch seine Grenzen kennen.

Unterscheiden Sie sich dadurch, dass der Prozess im Mittelpunkt Ihrer Arbeit steht und nicht das Resultat?

Ja, es gibt Künstler, die von Beginn der Arbeit weg auf das fertige Kunstwerk fixiert sind. Wer drei bis vier Museumsausstellungen pro Jahr bewerkstelligen muss, hat da auch gar keine grosse Wahl. In diesem Fall ist es allerdings fraglich, ob man so die eigenen Bedürfnisse befriedigt oder bloss jene des Kunstmarktes.

Welches Verhältnis haben Sie persönlich zu finanziellem Erfolg?

Sicher stellt man sich als Künstler die Frage, wie weit es die eigene Kunst bringen kann. Auch ich hegte bei meiner Berufswahl Hoffnungen auf die ganz grosse Anerkennung und den finanziellen Durchbruch. Heute akzeptiere ich, dass ich nicht zu den sogenannten «Happy Few» gehöre. Ich persönlich bedaure teilweise den enormen Leistungsdruck unserer Gesellschaft, in der sich alles um ein möglichst grosses Bruttosozialprodukt dreht. Es ist ein Thema, das mich schon immer begleitet hat und das sich auch in meiner Kunst widerspiegelt.

Viele Künstler werden erst im hohen Alter oder bereits nach Ihrem Tod berühmt. Woran liegt das?

Ich denke, es gehört das nötige Glück dazu, zur rechten Zeit am rechten Ort zu sein. Ein gutes Beispiel hierfür ist der Zürcher Kunstmaler Varlin, der einen Grossteil seines Lebens in ärmlichen Verhältnissen verbrachte. Die grossen Kunstkritiker der heutigen Zeit sind sich einig: Hätte Varlin seinerzeit in New York gelebt, wäre er zweifelsohne ein Weltkünstler geworden. Das Leben ist nicht gerecht, auch nicht das von uns Künstlern.

Wie wird Ihrer Kunst in der Öffentlichkeit begegnet?

Meine Kunst wird grundsätzlich sehr positiv aufgenommen. Dennoch kam es schon zu Kritik, die ich so nicht erwartet hätte. An einer meiner frühen Ausstellungen in Kloten präsentierte ich eine Reihe menschlicher Torsos, unvollständige Oberkörper also, ohne Kopf und Extremitäten. Noch an der Ausstellung wurde ich dafür kritisiert, dass solche Kunst diskreditierend sei für Personen mit körperlichen Beeinträchtigungen. Damit hätte ich beim besten Willen nicht gerechnet. Nun weiss ich, dass man sich als Künstler heutzutage auch mit solchen Überlegungen auseinanderzusetzen hat. 

Wie steht es um die Nacktheit?

Auch hier kam es schon zu einem Zwischenfall, wenn auch nicht zu einem ganz so ernsten. Bei einer privaten Ausstellung nahe der Luzerner Hofkirche St. Leodegar beschwerten sich die Chorherren über die Unsittlichkeit der unbedeckten Geschlechtsteile meiner Skulpturen. Immerhin bei den japanischen Touristen waren die nackten Figuren der totale Renner für ihre Erinnerungsfotos (lacht). 

Herzlichen  Dank für das Interview!

Skulptur Ruedi Mösch1  Skulptur Ruedi Mösch2